6 Sterne von 5 – Superlative

Cover "Night Comes Falling" von Stephen McCarthy & Carla Olson

Interview mit Stephen McCarthy und Carla Olson zum gemeinsamen neuen Album.

Alle kennen Alben die keine einzige schwache Nummer aufweisen. LPs und CDs die man vom ersten bis zum letzten Takt durchhören und mit den Ohren einatmen kann. Bob Dylans „Desire“ war meine erste dieser Scheiben. Später auch das phänomenale Duettalbum „So Rebellious A Lover“ von Gene Clark & Carla Olson.

Jetzt ist dieser Carla Olson wieder eine solches Meisterwerk gelungen – zusammen mit Stephen McCarthy, den viele noch von „Long Ryders“, „Dream Syndicate“ oder „Danny & Dusty“ kennen. Das Album „Night Comes Falling“ besticht mit klaren Gitarrensounds, unzähligen Hooklines und fesselnden Duetten. Hier das allmusic.de-Interview mit Stephen McCarthy und Carla Olson.

Wer hatte die Idee zu diesem gemeinsamen Album und wie kam es dazu?

Carla Olson: Ich habe mindestens 25 Jahre lang versucht ein Soloalbum für Stephen McCarthy zu produzieren. 2018 traten Stephen und ich zusammen beim Wild Honey Tribute für Buffalo Springfield auf und fanden, dass es ziemlich gut klang wieder zusammen zu singen. Wir haben dann ziemlich schnell mit der Planung für das Album begonnen.

Wie lange kennt ihr euch schon? Wann haben Sie zum ersten Mal zusammengearbeitet?

Stephen McCarthy: Carla und ich haben uns wahrscheinlich vor 35 Jahren kennengelernt, als unsere Bands auf den gleichen Bühnen unterwegs waren. Sie war immer mit verschiedenen Aufnahmesessions aktiv und ich hatte das Glück 1987 eingeladen zu werden, auf ihrem Album „So Rebellious A Lover“ mit Gene Clark zu spielen. Ich arbeitete auch an einem anderen Compilation-Album, das sie produzierte. Carla und ihr Mann Saul Davis haben mich immer sehr unterstützt! Der Samen für unser Duett-Album wurde damals gelegt und ich bin begeistert, dass wir endlich die Zeit dafür gefunden haben.

Carla Olson: Es scheint, als wäre es erst gestern gewesen, aber wir haben uns 1984 in Los Angeles getroffen, als The Textones in denselben Clubs spielten wie The Long Ryders. Als Gene Clark von den Byrds und ich 1986 ein Duett-Album mit dem Titel „So Rebellious A Lover“ aufnahmen, spielte Stephen bei zwei Songs Dobro und Lap Steel. Ein paar Jahre später nahmen Stephen und ich auch den Song „Lovin’ Arms“ von Tom Jans für das Album True Voices auf, das von Textones-Gitarrist George Callins produziert wurde.

Habt ihr beide Lieblingsstücke? Welche?

Carla Olson: Night Comes Falling, der Titelsong, ist mein persönlicher Favorit. Dieses Lied reflektiert das, wie der verstorbene Gene Clark immer noch in meinen Träumen auftauchte. Stephen nahm diese Idee auf und wir schrieben einen Song.

Stephen McCarthy: Ich würde auch sagen, der Albumtitel „Night Comes Falling“ ist mein Lieblingssong. Das war das Erste, was wir gemacht haben, und es war wirklich der Funke, der uns zu der Erkenntnis brachte, dass wir eine coole Platte machen könnten. Aber eigentlich sind alle Songs Favoriten für mich.

Viele Lieder sind Hymnen. Viele mit herrlichen Duetten. Das Album hat keinen schwachen Song. Wie schafft ihr diese hohe Qualität? Wie viele Songs habt ihr aufgenommen und wie viele verworfen?

Stephen McCarthy: Carla und ich sind in einer Zeit aufgewachsen, in der die Single wichtig war. Die Songs waren im Durchschnitt 2 1/2 Minuten lang und man musste schnell zum Refrain kommen, um ihn unvergesslich zu machen. Danke, dass du denkst, dass das Album keine schwachen Songs hat.

Carla Olson: Wir haben alle Songs, die wir zusammen geschrieben haben auch verwendet. Plus auch einen von „The Desert Rose Band“ und einen weiteren von der Band The Beau Brummels aus den sechziger Jahren. Wir haben Gene Clarks „I Remember The Railroad“ aus dem von mir produzierten Album „Americana Railroad“ aufgenommen. Der Text zu „Bell Hotel Is Burning“ wurde von George Green geschrieben, der auch einige von John Mellencamps Texten geschrieben hat, darunter „Hurt So Good“, „Crumblin‘ Down“ und „Rain On The Scarecrow“. Stephen und ich haben Musik für diese Geschichte über ein Grand Hotel aus dem späten neunzehnten Jahrhundert geschrieben, dessen Gäste im Laufe seiner Geschichte von Königen und Gesetzlosen bis hin zu Obdachlosen reichten.

Ich liebe die treibende Kraft von „We Gotta Split This Town“. Wer treibt hier wen an?

Carla Olson: Stephen hatte eine Idee für ein Lied, in dem ein Typ aus dem Gefängnis kommt und seine Freundin sagt, dass sie bereit ist, ihn zu verlassen, wenn er Ärger nicht vermeiden kann. Das Video, das Tim Roth für den Song gemacht hat, ist nicht zu ernst gemeint, aber wir lieben, was er gemacht hat!

Stephen McCarthy: Das Lied ist eine hektische Unterhaltung zwischen einem Paar, das vor dem Gesetz davonläuft mit einem treibenden Viertelbeat auf der floor drum, der sie vorantreibt. Ich denke, sie sind beide begierig darauf, an einem neuen Ort zu sein. Sie versuchen, ihrer Vergangenheit davonzulaufen, also schieben sie sich gegenseitig an.

Die hellen Gitarren auf „NIght Comes Falling“ erinnern mich ein bisschen an „Band Of Blacky Ranchette“ oder Roger McGuinn. Oder wer oder was hat das beeinflusst?

Stephen McCarthy: Ich kannte „Band Of Blackie Ranchette“ gar nicht so sehr, aber ich habe sie mir angehört und sie sind großartig! Sehr talentierte Jungs. Ich schätze, jedes Mal, wenn man eine 12-saitige E-Gitarre in die Hand nimmt, könnte Roger McGuinn als Einfluss herangezogen werden, und das ist für mich in Ordnung. Ich denke, der Haupteinfluss an diesem Punkt in meinem Leben sind einfach die musikalischen Erfahrungen, die ich auf dieser langen Reise gesammelt habe. Die 12-saitige Gitarre hat etwas Magisches und scheint wirklich zur Stimmung des Songs zu passen. Wahrscheinlich ist der Haupteinfluss nur Carla, die die Geschichte aus ihrem Traum erzählt. Dies wurde zur Grundlage des Songs und des Albums.

Carla Olson: Und ich bin einfach glücklich, meine alte Les Paul zu spielen.

Der Gesang auf „Broken Lullaby“ hat etwas Erhabenes. Etwas Edles! Sehr nobel! Das Flügelhorn ist faszinierend. Wie kam es zu dieser Besetzung und dem Arrangement?

Carla Olson: Danke für diese freundlichen Worte. Manchmal sieht man die Ungerechtigkeiten des Lebens und muss darüber schreiben. Ich liebe Hörner ~ Saxophon, Trompete, Flügelhorn. Stephen kennt eine Million Akkorde, die die Songs verschönern.

Stephen McCarthy: Das musikalische Thema hat ein melancholisches Motiv, das zu einer Geschichte über Selbstreflexion führt. In diesen herausfordernden Zeiten haben viele Menschen Mühe es zu schaffen. Der Chor weist darauf hin, dass wir alle mehr tun müssen, um den Leidenden zu helfen!

Ich liebe die Pedal Steel auf „Brink Of The Blues“. Warum hast du die Steel Guitar nicht öfter benutzt?

Stephen McCarthy: Die pedal steel ist mein Lieblingsinstrument, aber ich wollte sie nicht bei jedem Song verwenden, weil es uns stilistisch in die Enge getrieben hätte. Wir haben sie aber bei ein paar Songs auf dem Album verwendet.

Carla Olson: Ich bin mir nicht sicher, ob das so beabsichtigt war. Stephen ist jedoch auf allen seinen Instrumenten ziemlich talentiert.

Ich finde „Timber“ wunderbar. Der Song wurde 2020 veröffentlicht. Warum hast du ihn trotzdem auf das Album gepackt?

Carla Olson: Timber war auf meinem Duett-Album „Have Harmony, Will Travel 2“ aus dem Jahr 2020, das in derselben Woche veröffentlicht wurde, in der die Corona-Pandemie ausbrach. Da es ein so lustig zu singendes Lied ist, haben wir es hier nochmals aufgenommen.

Stephen McCarthy: Ich mag es sehr Cover-Songs neu zu einzuspielen, und ich habe das Gefühl, dass wir das mit diesem Song gut hinbekommen haben.

Blickt Ihr beide in „Long Way Back To Seventeen“ auf ein allgemein erfülltes Leben zurück? Ist das ein so entspannter Blick in Ihre Vergangenheit, wie das musikalische Laid-back-Arrangement vermuten lässt?

Carla Olson: Die Texte sind nicht unbedingt biografische, eher Beobachtungen. Manchmal macht der Weg des Lebens Windungen und Wendungen, bringt dich aber schließlich wieder dorthin zurück, wo du angefangen hast. Die Musik hat viele Bewegungen, wie die Geschichte auch.

Stephen McCarthy: Der Großteil der Texte stammt von Carla. Ich habe mir die Musik und die Melodie ausgedacht, also war es eine großartige Zusammenarbeit. Skip Edwards steuerte das grandiose Streicherarrangement bei. Man sagt, man vergisst nie seine erste Liebe. Das Thema dieses Songs reflektiert ein langes Leben voller Kämpfe, wird aber auf wundersame Weise mit ihrer ersten Liebe wiedervereinigt. Das Arrangement wechselt je nach Stimmung und Text von Dur nach Moll.

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REVIEW:
STEPHEN McCARTHY & CARLA OLSON / Night Comes Falling
Die Uptempo-Nummer „We Gotta Split This Town“ knallt einen mit treibenden Gitarren gleich richtig nieder. Der Titeltrack „Night Comes Falling“ besticht durch ein klares Duett über dem ein Hauch vom Geist des legendären Gene Clark weht. „Broken Lullaby“ hat den Charme erhabener Entspanntheit. Ein edler Höhepunkt, dem Jeff Lewis mit dem Flügelhorn die Krone aufsetzt! In „The Bell Is Burning“ glänzt der Duettgesang mit der sentimentalen Empathie, wie man es emotionaler nur bei „So Rebellious A Lover“ gehört hat. Der Sprung in das lebendige „Brick Of The Blues“ könnte überraschender nicht sein. Aber im Swimmingpool warmer Pedal Steel Guitar-Klänge könnten die Ohren weitere harmonische Stunden verbringen. Auch die Cover-Versionen von Chris Hillmans „Desert Rose Band“ „One That Got Away“ und „Don’t Talk To Strangers“ von den legendären „Beau Brummels“ haben durch Carla Olson als Produktion ihren eigene Touch bekommen. Beim zunächst melancholischen „Back To Seventeen“ beeindruckt das bis zum Zenit dynamisch anschwellende Arrangement. „Just To Get To You“ ist eine treibende Countrynummer mit kantigem Gitarrenriff und Dobro. „Timber“ habe ich schon in der früheren Version von Carla geliebt. Sie haben es neu arrangiert und es ist ein weiterer Harmonie-Höhepunkt. Final ist der Gene Clark-Song „I Remember The Railroad“ ein glänzender Abschluss dieses tollen Albums. Emotionale Gesangsstimmen, Fiddle, Mandoline.
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