PIZZERA & JAUS im Jahnstadion: Haben wir schon wieder zu wenig Pandemie?

B7020461 / Pizzera & Jaus, 2023, Regensburg, Jahnstadion (c) Bernd Schweinar

Über Markus Söder, Pizzera & Jaus, Lärmbeschwerde beim Open-Air am Regensburger Jahnstadion und die Lokalpresse

Markus Söder sagte während einer Corona-Video-Krisensitzung zu mir und anderen wie Wolfgang Krebs, dass man für die Aktion „Bayern spielt“ so viele Plätze wie möglich bespielen sollte. Und: Bayern brauche eine Verwaltung die nicht zuerst schaut, wie sie etwas verhindere, sondern wie sie möglichst viel ermöglichen könne.

Was hat der Ministerpräsident mit „Pizzera & Jaus“ und dem Open-Air am Regensburger Jahnstadion zu tun? Na ja, Corona und die Quarantäneeinschränkungen sind scheinbar schon wieder vergessen. Geht es uns schon wieder zu gut, haben wir zu wenige Viren im Umlauf, könnte die Frage lauten?! Da gibt es eine Lautstärkebeschwerde von einer Person, die sich auch am Landeplatz des Rettungshubschraubers beim Uniklinikum stört und – die örtliche Lokalpresse macht daraus einen fünfspaltigen (!) Aufhänger. Könnte die Feststellung (nicht Frage!) nicht auch umgekehrt lauten: Nur eine Beschwerde beim Open-Air! Noch dazu eine, die von den Lärmmessungen widerlegt zu werden scheint. Doch in der Lokalpresse wird von „Magenweh“ durch „tiefe Basstöne“ berichtet. Nicht auszuschließen, dass weitere Leserinnen und Leser davon plötzlich auch Placebo-Magenschmerzen bekommen. Seit Corona wissen wir, dass man Placebo-Einbildungen auch herbeischreiben kann! Stattdessen kein Wort im Artikel, dass die Tonanlagen, die heutzutage bei solchen Veranstaltungen benutzt werden, gar nicht mehr so laut betrieben werden müssen. Die „Line Arrays“, also die Lautsprecherbananen, die fliegend an der Bühne hängen, sind so konstruiert, dass sie zielgenauer das Publikumsgelände beschallen – und damit auch wesentlich leiser betrieben werden können, als noch vor Jahren. Subjektiver Eindruck aus dem Bühnengraben: ich hatte meinen professionellen Gehörschutz wie immer mit dabei, habe ihn aber nicht gebraucht, weil die dort für das Publikum im Frontbereich der Bühne aufgestellten Boxen sehr moderaten Sound ausgeblasen haben. Bleibt zu hoffen, dass die Regensburger Genehmigungsbehörden diesen Fach- und Sachverstand auch draufhaben. Ich habe über 30 Jahre Veranstalterseminare organisiert, auch mit Dozenten aus dem Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR). Und die waren zwar hart, aber sie waren auch fit! Behördliche Veranstaltungsexperten!

Kein Wort davon im Artikel. Auch kein Wort zum Wert von Kultur nach Corona! Ist es uns lieber, wenn wir und unsere Kids wieder alle daheim eingesperrt würden? Bringt uns Kultur nicht auch wieder Leben und Normalität zurück? Und warum kein Vergleich oder Recherche, wie andere Städte mit solchen Veranstaltungen umgehen? In München gibt es seit mehr als einer Dekade einen Stadtratsbeschluss, wonach den Stadtbewohnern eine gewisse Anzahl von Open-Air-Konzerten im Olympiastadion zuzumuten sei. Gibt es einen solchen Beschluss auch in Regensburg? Falls nein, warum nicht? Könnte auch die Lokalpresse fragen? Die KVR-Beamten in München sagen seither bei Beschwerden: Leut‘ das müssen wir aushalten, das hat die Politik so beschlossen.

Und solche Großveranstaltungen machen auch in Regensburg Sinn! Wollen wir wirklich, dass unsere Kids sich auf die Autobahnen schmeissen, um solche Veranstaltungen in anderen Großstädten zu besuchen? Vom Verkehrsrisiko ganz zu schweigen! Meine Kids sind für „Pizzera & Jaus“ schon mal bis nach Wien gefahren! Mir als Vater, war diesmal wohler, weil sie „nur“ nach Regensburg mussten. Und dem kulturellen Anspruch einer Metropole sollten solche Veranstaltungen auch mehr Wertschätzung abfordern! Oder will Regensburg lieber Dorf genannt werden?

Ach ja, „Pizzera & Jaus“. Ein österreichischer Hymnen-Pop für die Unendlichkeit. Für die Fans, das Wohlfühlen „im Magen“ (!), den Kopf! Die Aaah-Uuuuuh-Oooohhh-Chöre liegen wie ein Klangbett unter vielen Titeln, bieten den Fans die Klammerpunkte, um sich immer wieder einzuklinken. Wenn bei „Danke, gut!“ im Fotograben vor der Bühne der tausendfache Chor von hinten aus dem Publikum lauter ist, als der Sound aus den Boxen, dann sagt das alles! Paul Pizzera und Otto Jaus, zwei voll sympathische Jungs von nebenan. Gebührend Nachfolger eines längst ergrauten Rainhard Fendrich, der ihr Opa sein könnte. Bei Themen wie Liebe, Beziehung, Trennung, Freundschaft haben es die Österreicher schon immer besser drauf. In Deutschland wird daraus zu oft noch plumpe Schlagersülze. In Österreich formen sie daraus Hymnen, wie „Pizzera & Jaus“ auf ihrer aktuellen „Comedian Rhypsody“-Tour. Anders als andere positionieren sie sich aber durchaus öfter gesellschaftspolitisch – gegen reaktionäre Politik in Österreich u.a.m. Chapeau!

Zwei nette Typen, die nie den Eindruck vermitteln, sie könnten die auch optisch große Open-Air-Bühne nicht ausfüllen! Wenn live die a-capella-Truppe „Das wird super“ ab und an mit auf die Bühne kommt, dann sind aber auch die keine Lückenfüller sondern ein zusätzliches vokales Sahnehäubchen. In mir haben sie jetzt definitiv einen Fan mehr – wenn auch Jahre zu spät, auf dem Weg „eine ins Leben“!

Die ganze 80er Bilderstrecke zu Pizzerea & Jaus hier:
https://www.allmusic.de/bildergalerie/pizzera-jaus