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24. November 2022


(photos by Marcus Cuff)

6 Sterne von 5 – Superlative 
für neues Album von Stephen McCarthy & Carla Olson

Alle kennen Alben die keine einzige schwache Nummer aufweisen. LPs und CDs die man vom ersten bis zum letzten Takt durchhören und mit den Ohren einatmen kann. Bob Dylans „Desire“ war meine erste dieser Scheiben. Später auch das phänomenale Duettalbum „So Rebellious A Lover“ von Gene Clark & Carla Olson.

Jetzt ist dieser Carla Olson wieder eine solches Meisterwerk gelungen – zusammen mit Stephen McCarthy, den viele noch von „Long Ryders“, „Dream Syndicate“ oder „Danny & Dusty“ kennen. Das Album „Night Comes Falling“ besticht mit klaren Gitarrensounds, unzähligen Hooklines und fesselnden Duetten.

Hier das allmusic.de-Interview mit Stephen McCarthy und Carla Olson.

Review: STEPHEN McCARTHY & CARLA OLSON / Night Comes Falling
Die Uptempo-Nummer „We Gotta Split This Town“ knallt einen mit treibenden Gitarren gleich richtig nieder. Der Titeltrack „Night Comes Falling“ besticht durch ein klares Duett über dem ein Hauch vom Geist des legendären Gene Clark weht. „Broken Lullaby“ hat den Charme erhabener Entspanntheit. Ein edler Höhepunkt, dem Jeff Lewis mit dem Flügelhorn die Krone aufsetzt! In „The Bell Is Burning“ glänzt der Duettgesang mit der sentimentalen Empathie, wie man es emotionaler nur bei „So Rebellious A Lover“ gehört hat. Der Sprung in das lebendige „Brick Of The Blues“ könnte überraschender nicht sein. Aber im Swimmingpool warmer Pedal Steel Guitar-Klänge könnten die Ohren weitere harmonische Stunden verbringen. Auch die Cover-Versionen von Chris Hillmans „Desert Rose Band“ „One That Got Away“ und „Don’t Talk To Strangers“ von den legendären „Beau Brummels“ haben durch Carla Olson als Produktion ihren eigene Touch bekommen. Beim zunächst melancholischen „Back To Seventeen“ beeindruckt das bis zum Zenit dynamisch anschwellende Arrangement. „Just To Get To You“ ist eine treibende Countrynummer mit kantigem Gitarrenriff und Dobro. „Timber“ habe ich schon in der früheren Version von Carla geliebt. Sie haben es neu arrangiert und es ist ein weiterer Harmonie-Höhepunkt. Final ist der Gene Clark-Song „I Remember The Railroad“ ein glänzender Abschluss dieses tollen Albums. Emotionale Gesangsstimmen, Fiddle, Mandoline.
Sechs Sterne von fünf, um eine neue Superlative zu schaffen!
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Wer hatte die Idee zu diesem gemeinsamen Album und wie kam es dazu?

Carla Olson: Ich habe mindestens 25 Jahre lang versucht ein Soloalbum für Stephen McCarthy zu produzieren. 2018 traten Stephen und ich zusammen beim Wild Honey Tribute für Buffalo Springfield auf und fanden, dass es ziemlich gut klang wieder zusammen zu singen. Wir haben dann ziemlich schnell mit der Planung für das Album begonnen.

Wie lange kennt ihr euch schon? Wann haben Sie zum ersten Mal zusammengearbeitet?

Stephen McCarthy: Carla und ich haben uns wahrscheinlich vor 35 Jahren kennengelernt, als unsere Bands auf den gleichen Bühnen unterwegs waren. Sie war immer mit verschiedenen Aufnahmesessions aktiv und ich hatte das Glück 1987 eingeladen zu werden, auf ihrem Album „So Rebellious A Lover“ mit Gene Clark zu spielen. Ich arbeitete auch an einem anderen Compilation-Album, das sie produzierte. Carla und ihr Mann Saul Davis haben mich immer sehr unterstützt! Der Samen für unser Duett-Album wurde damals gelegt und ich bin begeistert, dass wir endlich die Zeit dafür gefunden haben.

Carla Olson: Es scheint, als wäre es erst gestern gewesen, aber wir haben uns 1984 in Los Angeles getroffen, als The Textones in denselben Clubs spielten wie The Long Ryders. Als Gene Clark von den Byrds und ich 1986 ein Duett-Album mit dem Titel „So Rebellious A Lover“ aufnahmen, spielte Stephen bei zwei Songs Dobro und Lap Steel. Ein paar Jahre später nahmen Stephen und ich auch den Song „Lovin’ Arms“ von Tom Jans für das Album True Voices auf, das von Textones-Gitarrist George Callins produziert wurde.

Habt ihr beide Lieblingsstücke? Welche?

Carla Olson: Night Comes Falling, der Titelsong, ist mein persönlicher Favorit. Dieses Lied reflektiert das, wie der verstorbene Gene Clark immer noch in meinen Träumen auftauchte. Stephen nahm diese Idee auf und wir schrieben einen Song.

Stephen McCarthy: Ich würde auch sagen, der Albumtitel „Night Comes Falling“ ist mein Lieblingssong. Das war das Erste, was wir gemacht haben, und es war wirklich der Funke, der uns zu der Erkenntnis brachte, dass wir eine coole Platte machen könnten. Aber eigentlich sind alle Songs Favoriten für mich.

Viele Lieder sind Hymnen. Viele mit herrlichen Duetten. Das Album hat keinen schwachen Song. Wie schafft ihr diese hohe Qualität? Wie viele Songs habt ihr aufgenommen und wie viele verworfen?

Stephen McCarthy: Carla und ich sind in einer Zeit aufgewachsen, in der die Single wichtig war. Die Songs waren im Durchschnitt 2 1/2 Minuten lang und man musste schnell zum Refrain kommen, um ihn unvergesslich zu machen. Danke, dass du denkst, dass das Album keine schwachen Songs hat.

Carla Olson: Wir haben alle Songs, die wir zusammen geschrieben haben auch verwendet. Plus auch einen von „The Desert Rose Band“ und einen weiteren von der Band The Beau Brummels aus den sechziger Jahren. Wir haben Gene Clarks „I Remember The Railroad“ aus dem von mir produzierten Album „Americana Railroad“ aufgenommen. Der Text zu „Bell Hotel Is Burning“ wurde von George Green geschrieben, der auch einige von John Mellencamps Texten geschrieben hat, darunter „Hurt So Good“, „Crumblin‘ Down“ und „Rain On The Scarecrow“. Stephen und ich haben Musik für diese Geschichte über ein Grand Hotel aus dem späten neunzehnten Jahrhundert geschrieben, dessen Gäste im Laufe seiner Geschichte von Königen und Gesetzlosen bis hin zu Obdachlosen reichten.

Ich liebe die treibende Kraft von „We Gotta Split This Town“. Wer treibt hier wen an?

Carla Olson: Stephen hatte eine Idee für ein Lied, in dem ein Typ aus dem Gefängnis kommt und seine Freundin sagt, dass sie bereit ist, ihn zu verlassen, wenn er Ärger nicht vermeiden kann. Das Video, das Tim Roth für den Song gemacht hat, ist nicht zu ernst gemeint, aber wir lieben, was er gemacht hat!

Stephen McCarthy: Das Lied ist eine hektische Unterhaltung zwischen einem Paar, das vor dem Gesetz davonläuft mit einem treibenden Viertelbeat auf der floor drum, der sie vorantreibt. Ich denke, sie sind beide begierig darauf, an einem neuen Ort zu sein. Sie versuchen, ihrer Vergangenheit davonzulaufen, also schieben sie sich gegenseitig an.

Die hellen Gitarren auf „NIght Comes Falling“ erinnern mich ein bisschen an „Band Of Blacky Ranchette“ oder Roger McGuinn. Oder wer oder was hat das beeinflusst?

Stephen McCarthy: Ich kannte „Band Of Blackie Ranchette“ gar nicht so sehr, aber ich habe sie mir angehört und sie sind großartig! Sehr talentierte Jungs. Ich schätze, jedes Mal, wenn man eine 12-saitige E-Gitarre in die Hand nimmt, könnte Roger McGuinn als Einfluss herangezogen werden, und das ist für mich in Ordnung. Ich denke, der Haupteinfluss an diesem Punkt in meinem Leben sind einfach die musikalischen Erfahrungen, die ich auf dieser langen Reise gesammelt habe. Die 12-saitige Gitarre hat etwas Magisches und scheint wirklich zur Stimmung des Songs zu passen. Wahrscheinlich ist der Haupteinfluss nur Carla, die die Geschichte aus ihrem Traum erzählt. Dies wurde zur Grundlage des Songs und des Albums.

Carla Olson: Und ich bin einfach glücklich, meine alte Les Paul zu spielen.

Der Gesang auf „Broken Lullaby“ hat etwas Erhabenes. Etwas Edles! Sehr nobel! Das Flügelhorn ist faszinierend. Wie kam es zu dieser Besetzung und dem Arrangement?

Carla Olson: Danke für diese freundlichen Worte. Manchmal sieht man die Ungerechtigkeiten des Lebens und muss darüber schreiben. Ich liebe Hörner ~ Saxophon, Trompete, Flügelhorn. Stephen kennt eine Million Akkorde, die die Songs verschönern.

Stephen McCarthy: Das musikalische Thema hat ein melancholisches Motiv, das zu einer Geschichte über Selbstreflexion führt. In diesen herausfordernden Zeiten haben viele Menschen Mühe es zu schaffen. Der Chor weist darauf hin, dass wir alle mehr tun müssen, um den Leidenden zu helfen!

Ich liebe die Pedal Steel auf „Brink Of The Blues“. Warum hast du die Steel Guitar nicht öfter benutzt?

Stephen McCarthy: Die pedal steel ist mein Lieblingsinstrument, aber ich wollte sie nicht bei jedem Song verwenden, weil es uns stilistisch in die Enge getrieben hätte. Wir haben sie aber bei ein paar Songs auf dem Album verwendet.

Carla Olson: Ich bin mir nicht sicher, ob das so beabsichtigt war. Stephen ist jedoch auf allen seinen Instrumenten ziemlich talentiert.

Ich finde "Timber" wunderbar. Der Song wurde 2020 veröffentlicht. Warum hast du ihn trotzdem auf das Album gepackt?

Carla Olson: Timber war auf meinem Duett-Album „Have Harmony, Will Travel 2“ aus dem Jahr 2020, das in derselben Woche veröffentlicht wurde, in der die Corona-Pandemie ausbrach. Da es ein so lustig zu singendes Lied ist, haben wir es hier nochmals aufgenommen.

Stephen McCarthy: Ich mag es sehr Cover-Songs neu zu einzuspielen, und ich habe das Gefühl, dass wir das mit diesem Song gut hinbekommen haben.

Blickt Ihr beide in „Long Way Back To Seventeen“ auf ein allgemein erfülltes Leben zurück? Ist das ein so entspannter Blick in Ihre Vergangenheit, wie das musikalische Laid-back-Arrangement vermuten lässt?

Carla Olson: Die Texte sind nicht unbedingt biografische, eher Beobachtungen. Manchmal macht der Weg des Lebens Windungen und Wendungen, bringt dich aber schließlich wieder dorthin zurück, wo du angefangen hast. Die Musik hat viele Bewegungen, wie die Geschichte auch.

Stephen McCarthy: Der Großteil der Texte stammt von Carla. Ich habe mir die Musik und die Melodie ausgedacht, also war es eine großartige Zusammenarbeit. Skip Edwards steuerte das grandiose Streicherarrangement bei. Man sagt, man vergisst nie seine erste Liebe. Das Thema dieses Songs reflektiert ein langes Leben voller Kämpfe, wird aber auf wundersame Weise mit ihrer ersten Liebe wiedervereinigt. Das Arrangement wechselt je nach Stimmung und Text von Dur nach Moll.

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November 24th, 2022

(photos by Marcus Cuff)

6 stars out of 5 – superlatives
for new album by Stephen McCarthy & Carla Olson

Everyone knows albums that don't have a single weak track. LPs and CDs you can listen to from the first to the last bar and “breathe in with your ears”. Bob Dylan's "Desire" was my first of these discs. Later also the phenomenal duet album "So Rebellious A Lover" by Gene Clark & Carla Olson.

Now Carla Olson has again created such a masterpiece - together with Stephen McCarthy, whom many still know from "Long Ryders", "Dream Syndicate" or "Danny & Dusty". The album "Night Comes Falling", also produced by Carla Olson, impresses with clear guitar sounds, countless hook lines and captivating duets.

Here is the allmusic.de-interview with Stephen McCarthy and Carla Olson.

Review: STEPHEN McCARTHY & CARLA OLSON / Night Comes Falling
The uptempo song "We Gotta Split This Town" really slams you down with driving guitars. The title track "Night Comes Falling" features a clean duet overlaid with a whiff of the spirit of the legendary Gene Clark. "Broken Lullaby" has the charm of sublime relaxation. A noble climax, which Jeff Lewis crowns with the flugelhorn! In "The Bell Is Burning" the duet singing shines with the sentimental empathy one has only heard more emotionally on "So Rebellious A Lover". The leap into the lively "Brick Of The Blues" couldn't be more surprising. In the pool of warm pedal steel guitar sounds, the ears could spend more harmonious hours. The cover versions of Chris Hillman's "Desert Rose Band" "One That Got Away" and "Don't Talk To Strangers" by the legendary "Beau Brummels" have also been given their own touch by Carla Olson as a producer. The initially melancholic "Back To Seventeen" impresses with the arrangement, which dynamically swells to the zenith. "Just To Get To You" is a driving country number with an edgy guitar riff and dobro. I loved "Timber" in the earlier version of Carla. They've rearranged it and it's another harmony highlight. Finally, the Gene Clark song "I Remember The Railroad" is a brilliant conclusion to this great album. Emotional vocals, fiddle, mandolin.
Six stars out of five to create a new superlative!
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Who had the idea for this joint album and how did it come about?

Carla Olson: I had been trying for twenty five years or more to produce a solo album for Stephen McCarthy. In 2018 Stephen and I performed together at the Wild Honey Tribute to the Buffalo Springfield and thought it sounded pretty good singing together again. In fact we promised Stephen that we would start planning this album ASAP.

How long do you know each other? When did you first work together?

Carla Olson:  It seems like just yesterday but we met in Los Angeles in 1984 when The Textones were playing the same clubs as The Long Ryders. When Gene Clark of the Byrds and I recorded a duet album in 1986 called So Rebellious a Lover, Stephen played dobro and lap steel on two songs. A few years later Stephen and I also recorded the Tom Jans song Lovin’ Arms for the album True Voices produced by Textones guitarist George Callins.

Stephen McCarthy: Carla and I met 35 years ago probably when our bands played on the same bill.
She was always active with different recording projects and I was fortunate enough to be invited to play on her album so rebellious a lover with Gene Clark in 1987. I also worked on another compilation album she produced. Carla and her husband Saul Davis has always been very supportive of me! The seed for our duet album was planted back in those days and I’m thrilled that we finally found the time to do it.

Do you both have favorite pieces? Which one?

Carla Olson: Night Comes Falling, the title track, is my personal favorite. That song was the result of the late Gene Clark always appearing in my dreams. Stephen took that idea and we wrote a song.

Stephen McCarthy: I would say the album title “Night Comes Falling” is my favorite song. This was the first thing we did and it really was the spark that made us realize we could make a cool record. If I start listing favorites I’ll name every song.

Many songs are anthems. Many with splendid duets. The album doesn't have a weak song. How do you manage this high level of quality? How many songs did you record and how many discarded?

Carla Olson:  We used all the songs we wrote together and also picked a song written by The Desert Rose Band called One That Got Away and another, Don’t Talk To Strangers, from sixties band the Beau Brummels. We included Gene Clark’s I Remember The Railroad from the Americana Railroad album that I produced. The Bell Hotel Is Burning lyric was written by George Green who wrote some of John Mellencamp’s lyrics including Hurt So Good, Crumblin' Down, and Rain On The Scarecrow. Stephen and I wrote music for this story about a grand hotel from the late nineteenth century whose guests ranged from kings and outlaws, and the homeless through it's history.

Stephen McCarthy: Carla & I were raised in a time when the 45rpm single was so important. Songs on average were 2 1/2 minutes long and you had to get to the chorus quickly and make it memorable. Thank you for thinking the album doesn’t have any weak songs. I would agree with you but the artist really can’t be a critic. We used most everything we recorded.

I love the driving force of "We Gotta Split This Town". Which of you two is pushing whom?

Carla Olson: Stephen had an idea for a song where a guy gets out of jail and his girlfriend says she’s ready to quit him if he can’t stay out of trouble. The video that Tim Roth made for the song is not meant to be too serious but we love what he did!

Stephen McCarthy: The song is a frantic conversation between a couple running from the law with a driving 4 on the floor drum beat propelling them along. I think they are both are eager to be somewhere new. They are trying to outrun their past so they are both pushing each other.

The bright guitars on “NIght Comes Falling” remind me a bit of “Band Of Blacky Ranchette” or Roger McGuinn. Or who or what influenced you?

Stephen McCarthy: I wasn’t very familiar with “Band Of Blackie Ranchette” but I looked them up & they are great! Very talented guys. I guess any time you pick up an electric 12 string Roger McGuinn could be mentioned as an influence and that is fine by me. I think the main influence at this point in my life is just the musical experiences I’ve collected on this long journey. There is something magical about the 12 string guitar and it really seem to fit the mood of the song. Probably the main influence is just Carla relating the story from her dream. This became the foundation of the song and the album.

Carla Olson: I’m just happy to play my old Les Paul.

There is something sublime about the singing on “Broken Lullaby”. Something noble! Very noble! The flugelhorn is fascinating. How did this instrumentation and the arrangement come about?

Carla Olson:  Thanks for those kind words. Sometimes you see life’s injustices and have to write about them. I love horns ~ sax, trumpet, flugelhorn. Stephen knows a million chords that dress up the songs.

Stephen McCarthy: The musical theme has a melancholy motif that leads into a story about self reflection. In these challenging times many people are struggling to make it. The chorus is pointing out that we all need to do more to help those that are suffering! Carla came up with the idea for the flugelhorn solo. She really did a lot of work with the arrangements and production on this album. Mikal Reid was also very important, his ideas, helping with production and engineering. There is a lift in the bridge and It needed something more compelling than a guitar solo. I think Carla had the original idea for the song and we traded ideas back-and-forth to finish it.

I love the pedal steel on "Brink Of The Blues". Why didn't you use the steel more often?

Stephen McCarthy: The pedal steel is my favorite instrument but I didn’t want to use it on every song because it would paint us into a corner stylistically. We did use it on a few songs on the album.

Carla Olson:  I’m not sure if that was intentional. However Stephen is quite talented on all his instruments.

I think "Timber" is wonderful. The song was released in 2020. Why did you put it on the album anyway?

Carla Olson: Timber was on my 2020 Have Harmony, Will Travel 2 duet album that was released the same week that the pandemic hit. Since it is such a fun song to sing together we wanted to include it here.

Stephen McCarthy: I have a strong desire to re-invent cover tunes and I feel like we accomplished that with this song.

Do you both look back on generally fulfilling lives in "Long Way Back To Seventeen"? Is that such a relaxed look into your past as the relaxed musical arrangement suggests?

Carla Olson: The lyrics are not necessarily biographical ones but an observation. Sometimes life’s road makes twists and turns but eventually puts you back where you started. The music has many movements like the story has.

Stephen McCarthy: The bulk of the lyrics are Carla’s. I came up with the music and melody so it was a great collaboration. Skip Edwards contributed the terrific string arrangement. They say you never forget your first love. The subject of this song is reflecting on a long life filled with struggles but is miraculously reunited with their first love. The arrangement switches from major to minor mode depending on mood and lyrics.


11. August 2022

backstage heroes:
„Unser Job als Techniker ist es unauffällig zu sein. Das wurde uns während Corona zum Verhängnis“

Udo Lindenbergs Crewmembers reflektieren ihre Erfahrungen mit der Bürokratie und fehlender Wertschätzung / Krise in der Branche ist nicht vorbei – im Gegenteil

(München) Den Begriff „backstage heroes“ führte während der Corona-Pandemie Matthias Gibson, ehemaliger BMG-Ariola-Geschäftsführer und Manager von Peter Maffay, in die kulturpolitische Diskussion ein. Er meinte damit die vielen, oft hochqualifizierten Freiberufler, die eine aufwändige Kulturproduktion im Hintergrund erst möglich machen. „Unser Job als Techniker ist es unauffällig zu sein! Und genau das ist uns während Corona zum Verhängnis geworden, genau deswegen hatte uns niemand auf dem Schirm“, sagt Claus (49) und LED-Techniker in der Produktionscrew von Udo Lindenberg. Und Veranstaltungstechniker Alex (34) über jene, die die Branche verlassen haben: „Die brennen nach wie vor für den Musikjob, aber hier fehlt ihnen die Sicherheit des Einkommens, wenn die Politik die Soloselbständigen bei der nächsten erwartbaren Notlage wieder im Bürokratiedschungel hängen lässt.“ Hier liegt das Dilemma für den bevorstehenden Herbst. Die Politik hat keine Konzepte und keinen Plan für die Kulturbranche. Tourneen brechen gerade dutzendweise weg. Die Kulturpolitik ignoriert das, spricht von einem tollen Festivalsommer. Technikcrews graut vor dem Herbst und der nochmaligen Perspektive Hartz IV. Denn wer in der ersten Pandemiephase Anträge auf Hilfsgelder stellte, berichtet von unglaublichen Vorgängen und Abläufen im Kampf mit der Bürokratie. Wir konnten einige zufällig ausgewählte Betroffene bei der „Udopium-Live“-Produktion hinter den Kulissen befragen und Bilanz ziehen.

Udo Lindenbergs "Udopium-Live"-Produktion war 2022 mit 18 Sattelschleppern auf Tour
Die Produktion mit der Udo Lindenberg diesen Sommer rund zwei Monate auf umjubelter Tournee war, umfasste Equipment, das mit 18 Sattelschleppern transportiert wurde. Zusätzlich waren die rund 100 Produktionsmitarbeitende mit vier Nightlinern (Busse mit Ruhekojen), zwei Bandbussen und einem Bus für die Kindertruppe der Show unterwegs.

Alles hoch spezialisierte und qualifiziert Experten und Fachleute, die es schaffen einen gesamten Bühnenaufbau mit LED-Wänden, Lautsprechern, Lampen und zigtausenden von Einzelteilen wie ein großes Puzzle am frühen Morgen ab 6 Uhr in der Münchner Olympiahalle auf- und bis nachts um 3 Uhr wieder abzubauen - und so zu verstauen, dass das Ganze am nächsten Veranstaltungsort wiederholt werden kann. Von der logistischen Ablaufperfektion, der Flexibilität und Koordinationsfähigkeit dieser nochmals um weitere rund 100 örtliche Helfer verstärkten Truppe könnte jede Behörde lernen! Dann wäre mit Sicherheit auch die Corona-Krise in Deutschland besser bewältigt worden.

Alle Gesundheitsminister wären begeistert von der Disziplin bei der Udo Lindenberg-Produktion. Zur Ausrüstung gehört auch eine mobile PCR-Teststation. Wir kommen erst backstage in die Olympiahalle, nachdem vor Ort der PCR-Test negativ ist. Ansonsten werden alle in der Truppe täglich mit Schnelltests gecheckt und laufen von früh bis spät mit FFP2-Maske umher. Nach freien Tagen oder Abwesenheit aus der Crew, kommt man nur mit negativem PCR-Test wieder zur Truppe. Es ist ein Leben wie in einer Hygieneblase – von Mai bis Juli, wochentags und am Wochenende.

Lindenberg-Crew bei "Udopium" mit eigenem PCR-Testlabor auf Tour
Diese Menschen nehmen für ihren Beruf immense Strapazen auf sich. Alle lieben ihren Job. Dafür brennen sie. Aber Politik und deutsche Bürokratie zeichneten während der Pandemie dafür verantwortlich, dass etliche Menschen die Branche ausgebrannt verlassen haben. Auch Selbstmorde sind durch die Medien bekannt geworden.

Bürokratie unvorbereitet und heillos überfordert

„Ich war plötzlich arbeitslos, beziehungslos, wohnungslos und perspektivlos!“ sagt Marcus (61) und Stagemanager. Er wollte mit 60 aufhören und die Stadiontour von Udo Lindenberg, der 2021 damit auch sein 75. Lebensjahr gefeiert hätte, sollte der Schlusspunkt sein. Stattdessen musste er viele seiner Rücklagen aufbrauchen und jetzt zudem weiterarbeiten. „Am meisten ärgert mich persönlich, dass man mich quasi als Verbrecher hingestellt und das Gefühl vermittelt hat, ich würde den Staat betrügen“. Er, der in den letzten Jahrzehnten in Deutschland, Europa und der ganzen Welt mit Stars wie Falco, Wolfgang Ambros, OPUS, Gianna Nannini, Peter Maffay, Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen, PUR u.v.m. unterwegs war, hat in dieser Zeit in Deutschland erhebliche Steuern bezahlt. Für diese Weltstars war er honoriger und zuverlässiger Partner – geschäftlich, sowie als Mensch. „Aber für die deutsche Bürokratie wurde ich im Krisenausnahmefall zum potentiellen Verbrecher, der sich ein paar Euros erschleichen wollte.“ Marcus redet von dem Krisenwerkzeug, das die Politik „vereinfachte Grundsicherung“ genannt und fast als paradiesische Metapher gepriesen hat, wie andere das Hartz IV-Level umschreiben.

„Ich war ja nicht arbeitslos, weil ich einen schlechten Job für einen meiner Künstler abgeliefert hätte“, fährt er fort. „Meine Arbeitsleistung ist immer 150 Prozent“ sagt er, der enorme auch sicherheitstechnische Verantwortung trägt, wenn viele der rund 200 Menschen die in der Halle buchstäblich beim Aufbau „wuseln“, zu koordinieren sind. Flexibilität ist eine der größten Herausforderungen in der Veranstaltungsbranche. Das hätte er auch von der Verwaltung erwartet, mit der er während Corona in Konflikt geriet. Flexibilität, Praxis- und Menschennähe hat er von der Bürokratie aber nicht zurückbekommen. Es gab Probleme, weil er bis Corona bei seiner Freundin wohnte, während sein Sohn mit Partnerin in seiner Wohnung blieb. Nach der Trennung gab es Differenzen bei der Berechnung des Wohngeldes. Es dauerte Monate, bis er endlich eine, dann auch teurere, Wohnung fand: „Man kann sich in einer Großstadt ja ganz toll bewerben – als selbständiger Arbeitsloser in der Veranstaltungsbranche“, so sein sarkastisches Fazit. Die Bürokratie wollte weder seine Argumente hören noch sich sachlich damit auseinandersetzen und zahlte nur anteilig. Er war dann froh, als es nach einem weiteren halben Jahr endlich Soloselbständigenhilfe gab.

Gefangen im "Staatsversagen"

Fast noch krasser erging es Klaus (53), Gitarrentechniker seit 1998. Den Job macht er seit Jahrzehnten für „zwei große alte Herren der deutschen Popgeschichte“ und vor Corona hatte er damit über 200 Tage im Jahr gut zu tun. Einer ist Udo Lindenberg. Auch Klaus hat seine Familie in einer Großstadt zu ernähren und auch ihm habe die Grundsicherung „einen echten Strich durch die Rechnung gemacht“. Weil die Politik zu lange inaktiv war, hat er angefangen in einem Musikfachgeschäft auf 450 €-Basis zu arbeiten. Später hat er dieses Einkommen dem Jobcenter zur Berechnung seines Bedarfes mit angegeben. Und war der Meinung, dass das in die Berechnung mit eingeflossen sei. Unlängst bekam er die Quittung und man will jetzt für 15 Monate jeweils 450 € von ihm wieder zurückhaben. Weil sich eine „Verwaltung scheinbar nie verrechnet“, liegt das ganze jetzt beim Anwalt. Sein Fall zeigt auch exemplarisch, wie ein unsensibles Bürokratieverhalten bei den Menschen, die eigentlich volle Auftragsbücher hatten und fern jeder Hartz IV-Mentalität lebten, zu Verbitterung führen kann. Hier hat das selbst von der Politik benutzte Wort von „Staatsversagen“ seine Berechtigung bewiesen.

Udo Lindenberg
Er bedauert, jemals ein Hilfsprogramm in Anspruch genommen zu haben, findet den Begriff der „unbürokratischen Hilfe“ einen Hohn. Erst im Interview mit uns erfährt er, dass es in der gleichen Verwaltung einen sehr engagierten Künstlerdienst des Jobcenters gegeben hätte. Das hat ihm die Verwaltung aber nicht kommuniziert.

Bürokratie unterirdisch

Bühnenbauer Alex (48) hat es gleich doppelt heftig erwischt. Die Frage, wie es ihm ergangen ist, beantwortet er deftig: „Beschissen wäre noch geprahlt!“ Seine Frau arbeitet im gleichen Gewerbe, ist bei ihm angestellt und versorgt daheim gerade die beiden gemeinsamen kleinen Kinder im Vorschulalter, während er mit Udo Lindenberg unterwegs ist. In wenigen Wochen tauschen sie die Rollen. Dann ist seine Frau mit PUR unterwegs und er betreut die Kids.

Dieses Anstellungsverhältnis kickte ihn schon mal aus der Soloselbständigenhilfe. Er teilt damit auch das Schicksal anderer berühmter Fernsehkabarettisten, die ihre Frau z.B. für die Betreuung der Online-Auftritte angestellt hatten und deshalb nicht in das von Bürokratieköpfen erdachte Förderschema passten.

Udopium-Bühne
Alex angefressen: „Früher wurde ich mal gefragt, was das Schlimmste sei, das mir passieren könnte. Da dachte ich noch, dass mir mal vielleicht jemand mein Werkzeug für 15.000 € klauen könnte“. Um ernüchternd fortzufahren: „Aber Corona und die unrealistischen Hilfen für die Veranstaltungsbranche haben das um ein Vielfaches überstiegen“.

Erschwerend kam bei ihm hinzu, dass er während der Pandemie in ein anderes Bundeslang umgezogen ist. Bis die Bürokratie Akten im Digitalzeitalter transferiert, ist für ihn als Logistik-Crack unfassbar. Er konnte nur überleben, weil er seine für die Alterssicherung gedachten 75.000 € Rücklagen für den Fortbestand des Gewerbes und die Bedarfe der Familie aufbrauchen, oder in seinen Worten „verplempern“ musste.

Die deutsche Bürokratie war mit dieser Spezies Mensch aus der Veranstaltungsbranche völlig überfordert. Dass da Menschen mit vollen Auftragsbüchern vor einem möglicherweise schlecht bezahlten Verwaltungsangestellten saßen, offenbarte sich schon früh als Dilemma im Vakuum von Arbeitslosigkeit und Berufsausübungsverbot. Ob der Quantitätsfaktor mit ursächlich für den Qualitätsverlust der Bürokratie wurde, ließe nur den Spekulationen freien Lauf und wäre eigentlich eine Aufgabe für die Bürokratieabbaubeauftragten allerorten.

Und Alex berichtet von einem anderen Kuriosum, einem „fast schon verdeckten Anruf“ der Bürokratie. O-Ton gerafft: Man habe den sozialen Medien entnommen, dass Künstler jetzt (Anm.: Januar 2022) ihre Mitarbeiter unterstützen oder anstellen würden. Zudem sei die Branche Anfang 2022 doch wieder im Aufwind und der Hilfebedarf damit doch obsolet geworden. Im Internetzeitalter sind Erwachsene allseits angehalten ihren Kindern zu erklären, dass man nicht alles auf Social Media glauben dürfe. Und dann kommt eine deutsche Behörde und plappert ungeprüft etwas daraus nach. Augenscheinlich bezog man sich auf eine der Größen im deutschen Rockgeschäft, der aber hauptsächlich sein Büropersonal weiterbeschäftigt hatte. Als Unbedarfter im Verwaltungsdickicht weiß ein Antragsteller aber nicht, dass so ein Behördenverhalten bestens geeignet ist für eine Dienst- bzw. Fachaufsichtsbeschwerde um sich zu wehren.

Jobwechsel statt Bürokratiekampf

Stattdessen hat das Image der Behördenrepressionen und Rückforderungen dazu beigetragen gar keine Hilfsanträge zu stellen. LED-Techniker Claus: „Ich weiß von vielen, die lieber nichts beantragt hatten, um nichts falsch zu machen, weil es unheimlich kompliziert war.“ Er selbst ist relativ glimpflich durch Corona gekommen, da er noch für einen anderen Künstler arbeitet, der eine Fernsehsendung hat und somit die Beschäftigung nicht komplett auf null gefallen ist.

Udopium-Bühne 2022
Anders Johannes (34), Veranstaltungstechniker. Er hat zu Pandemiebeginn zunächst in einer Zimmerei gejobbt und sich später als technischer Leiter eines Impfzentrums seiner süddeutschen Heimatstadt über Wasser gehalten. Hier kam er über sein ehrenamtliches THW-Engagement rein und als sich herausstellte, dass für die Zulassung eines Impfzentrums in der Halle eine Fachkraft für Veranstaltungstechnik erforderlich war, fiel die Wahl auf ihn. Zumal er die Hallenlogistik von Konzerten, die er mit betreut hatte, schon kannte.

Er berichtet aber auch von „vielen Ex-Kollegen, die während Corona in die Elektrobranche abgewandert sind und jetzt Elektroladesäulen für Autos aufbauen“. Von zahlreichen hätte er gespiegelt bekommen, dass die wohl nicht mehr in den Tourbetrieb zurückkämen. Denn sie haben die Annehmlichkeiten erkannt, regelmäßige Arbeitszeiten zu haben, sowie abends und an Wochenenden daheim bei der Familie sein zu können. Alex: „Die brennen nach wie vor für den Musikjob, aber hier fehlt ihnen die Sicherheit des Einkommens, wenn die Politik die Soloselbständigen bei der nächsten erwartbaren Notlage wieder im Bürokratiedschungel hängen lasse.“

Kabarettistin Birgit S. und Musiker Dieter W. hatten während der Pandemie sogar via Social Media vom Treffen mit einem Landeskunstminister berichtet, der den anwesenden Kreativen statt dem Kulturberuf lieber den Wechsel in den Lehrerjob empfohlen hatte. Denn dort gäbe es einen enormen Bedarf. Kultur können man dann ja nebenbei weiterbetreiben. Bei so viel Fachkompetenz und politischem Support braucht sich dann nach zwei Jahren niemand mehr über Personalmangel in der Kulturbranche zu wundern.

„Model Österreich“ in Deutschland chancenlos?

Dabei ist der Politik längst eine konkrete Alternative bekannt. So wird in der Branche ein in Österreich erfolgreich praktiziertes Modell (www.svs.at) konstruktiv diskutiert, das neben Sozialversicherungen auch eine „Arbeitslosenversicherung für Gewerbetreibende und Neue Selbständige“ umgesetzt hat. Alex: Wenn es ein solches Modell auch in Deutschland gäbe, bin ich sicher, dass 80 bis 90 Prozent aus unserer Branche sagen würden, sie zahlen in so etwas ein.“ Aber die Hoffnung, dass deutsche Politik so etwas umsetzen will und wird, ist realistisch gering. Deutsche Politik mache hier einen sehr schlechten Job, so die Unisono-Meinung. Seit Jahren gibt es die Forderung nach Übernahme des österreichischen Modells für Freiberufler. Seit Jahren tut sich nichts, was sicherlich auch in der Heterogenität der Vielzahl betroffener Berufe begründet liegt. Corona scheint daran nichts geändert zu haben.

Fehlende Wertschätzung gegenüber Kulturberufen

Die Betroffenen führen das im Gespräch auch auf die ihnen durchwegs begegnete fehlende Wertschätzung von Politik und Behörden zurück. Menschen aus Politik und Behörden gingen ebenfalls gerne zu fantastischen Kulturevents, so die Techniker. Wer das baut und ermöglicht, sei aber vielen egal. Alex sieht die Ursache auch in Vorurteilen: „Gerade uns im Touring begegnet man vielfach mit Vorurteilen, als wären da nur koksende Typen unterwegs“. Was aber „völliger Quatsch“ sei, denn „das geht bei der Verantwortung gar nicht, die wir haben“, und verweist darauf, dass alleine dutzende Tonnen Ausrüstung in der Halle unter die Decke gehängt werden müssten, unter denen Menschen stehen. „Wir sind eine Riesenbranche, die von der Politik missachtet wird“ sagt Alex und würde zum gegenseitigen Verständnis „auch einem Markus Söder Helm und Sicherheitsschuhe anbieten, um mitzuarbeiten und zu sehen, was wir hier leisten und wie penibel wir hier alle arbeiten, damit sich jede und jeder sicher fühlen kann“. Markus Söder habe „gerade noch das richtige Alter für uns“. Er „sieht fit aus und wenn er keine zwei linken Hände“ habe, könne er sofort hospitieren.

Autokinos ein Schuss ins Knie, weil Politik geblendet

Marcus weist final auch noch auf Fehler der Branche hin: „Autokino-Konzerte waren für mich das falscheste Signal an die Politik“. Fehlender Entertainmentcharakter sei noch das geringere Übel gewesen, „aber die Politik hat geglaubt in der Kultur geht wieder etwas; mit dem Rückschluss, sich nicht mehr um die Probleme der Branche kümmern zu müssen“. Hier sei die Situation in der Anfangsphase der Pandemie vergleichbar mit dem Sommer 2022, wo viele kleinere Veranstaltungen um das Überleben kämpfen oder gar nicht stattfinden, während die Politik sage, dass es ja wieder tolle Festivals gegeben habe. Unter die Decke blicke da keiner, weil das der Politik Arbeit und Geld kosten würde. Das sei fatal und deswegen ist die Branche auch noch längst nicht über den Berg. Und es wird noch eine Herausforderung, ob beispielsweise ein Markus Söder zu seinem Wort steht, die Kulturbranche und ihre Mitwirkenden „bis Pandemie-Ende“ zu unterstützen.

Bernd Schweinar / www.allmusic.de

Zur Bilderstrecke Udo Lindenberg (zum Galerieende scrollen)


18. Juni 2022

LIEBE – IN EINER MAGISCHEN NACHT
„Die Toten Hosen“ zum 40jährigen im Münchner Olympiastadion / „Donots“ und „Feine Sahne Fischfilet“ als Support

Wenn der Mensch älter wird, reflektiert er ab und an die zurückgelegte Wegstrecke. Jubiläen sind ein besonderer Kick für solche Momente. Meistens gibt es dann auch Kuchen und Torten. Und Erinnerungen! Schöne meist mehr! Und solche hatten „Die Toten Hosen“ zu Hauf in einst nie gedachten 40 Bandjahren ins Album geklebt. Apropos geklebt! Der Schweiß klebte bei 34 Grad im Münchner Olympiastadion jeden saugfähigen Fetzen Klamotten und Haarstränen an den Feierbody. Was für eine Nacht in Bayern! Welcher Schwall an Emotionen! Was für Fontänen an Hymnen! Und natürlich 105prozentig ehrlich und überzeugend „Alles aus Liebe“. Liebe zu einer Band, die dieses Deutschland in diesen Jahren geprägt hat.

Auch ich erinnere mich. Es war der 26. Juli 1986, als „Die Toten Hosen“ mich ansprachen, nicht ich sie. Auf der Pressetribühne beim „Anti-WAAhnsinns-Festival in Burglengenfeld. Die Plattenfirma Virgin hatte irgendwann vorher Jutetaschen bei der Bemusterung verschickt. Die Kameratasche war voll, Kleinkram steckte in dieser Jutetasche. Und die Hosen fragten schüchtern, ob ich von Virgin sei. Es war ein spontaner Erstkontakt mit einem Gruppenbild, das man heute Selfie nennen würde. Und lustigen Bildern vom Aufbau ihres „Hosen-Hotels“ rechts von der Bühne. Am nächsten Morgen waren sie um 11 Uhr mein lautester Wecker im Fotograben – ever! Im Konzertfilm über das Festival ist eine meiner Favoritenszenen jene geblieben, als die Hosen erzählten, sie seien nach der Durchfahrtskontrolle bei der Polizei gleich nochmals umgekehrt und erneut durchgefahren, weil sie sich mit dem Einsatzleiter so gut verstanden hätten. Knutsch!

Auf die Nacht in München habe ich 40 Jahre gewartet. Zumindest die Emotionen in mir! Ein Chapeau insbesondere auch der Videodesignfirma, die im Background ein Gefühlsfeuerwerk nach dem anderen ablaufen ließ. So viel Sisyphus-Arbeit, so große Kunst! So viele Erinnerungen und Empathie zum Eintauchen. Und am besten nie wieder auftauchen! Suhlen und wohlfühlen! Hymne an Hymne! 30 Songs, die wie ein Gipfelspringen durch die Bandgeschichte Höhepunkt an Höhepunkt reihten. Mit Hooklines, die keine Chance ließen, sich nicht in den Chor einzureihen. Manche haben das den Hosen in 40 Jahren als Kommerzialisierung vorgeworfen. Leute, wie würde der Österreicher sagen: „Geht sch…“.  Zweieinhalb Stunden Hymnen für die Menschen! Melodien für Deutschland! Einzelne Titel aus dem Chorgefüge herauszuheben, hieße die anderen zu Unrecht nicht zu nennen.

Mit Südcholorit für Bayern und München und das emotional bebende Olympiastadion herauszuheben, wären aber „1000 gute Gründe“, mit einer imaginären Jodel-Hommage an die Freundschaft mit Gerhard Polt und den Wells. Oder die Kindheitsreminiszenz von Campino, als er ausführlich an die Badetage mit den Eltern am Klostersee (Seeoner See) erinnerte. Neu war, dass Campino mit seinem CDU-Dad lange vor der CSU in Kloster Seeon war. Und die Story von der Notbremsung im Bandbus am wiedergefundenen Ortsschild zum Seeoner See, war nur eine von vielen tollen Anekdoten aus vier Hosen-Jahrzehnten.  „Die Toten Hosen“ blickten zurück, ohne den Kopf zu wenden. Bei Vollgas, straight ahead!

Apropos Dad. Trotz aller endlos scheinenden Hymnen waren die eher leisen Momente fast die intensivsten. „Kamikaze“ war so ein Moment. Aber wie kein zweiter Song steht „Draußen vor der Tür“ für diese Zäsur. Er steht für die Reflexion der Vergänglichkeit, den Frieden mit dem einst unversöhnlich scheinenden Familienleben. Auch das Sich-Vergegenwärtigen, dass die Welt sich auch für einen punkigen Geist weiterdreht, wenn Campino erzählt, dass er seinen durch Kreuzberg ziehenden Sohn nur alle vier Wochen sieht, wenn überhaupt. Time flies! Geschichte und Geschichten wiederholen sich. Abnabelung ist elementar wichtig! Sie zu akzeptieren aber auch. Mit dazu beiträgt, der Rückblick auf 40 Jahre eigene Entwicklung. Und das haben „Die Toten Hosen“ mit dieser Jubiläumstour so was von genial auf die Bretter gestellt, dass jede Hymne im auch optischen Meer der Fanhände schwimmen und sich treiben lassen konnte.

Auch die Supports von „Donots“ und „Feine Sahne Fischfilet“ wurden frenetisch gefeiert. Im Kampf mit der brennenden Sonne legten die „Donots“ sogar gleich bei „Calling“ noch ein paar Grad Celsius on top drauf! Und ab „Wake The Dogs“ und „Dead Man Walking“ kannte der Strom an Schweißfluss keine Ufer mehr. „Feine Sahne Fischfilet“ antworteten auf die Temperaturen bei „Rausch“ gleich mit Bierdusche für die Kameras im Fotograben.

Eine Schlusshommage auch an jene, die oft vergessen werden. All die Hands, Secus und allen anderen Produktionsgewerke, die trotz dieser grenzwertigen Temperaturbelastungen ihre anstrengend Jobs wieder mit Leidenschaft machen. Sie haben den allergrößten Respekt verdient, weil ohne sie Tage wie dieser, um es mit den Hosen zu sagen, nie möglich wären.

Bernd Schweinar / www.allmusic.de

Die ganze Bilderstrecke am Ende des Archivs, mit vielen auch historischen Aufnahmen vergangener Gigs – und es sind noch so viele Jahre nicht digitalisiert in dieser Zeitreise:
https://www.allmusic.de/bildergalerie/die-toten-hosen

Die Bilderstrecken der „Donots“ und von „Feine Sahne Fischfilets“ gibt es später.


16. Juni 2022

DIE GROSSEN NETTEN JUNGS
„Die Ärzte“ im Münchner Olympiastadion / „Antilopen Gang“ als Support mit gutem Job

Beim letzten Aufeinandertreffen mit den „Ärzten“ stürmte die Polizei die Garderobe und unterbrach unser Interview zur Personalienfeststellung der Band. Das war 1987 in Regensburg. Grund war, dass sich die Band nicht an das Indizierungsverbot von „Geschwisterliebe“ gehalten und es trotzdem gespielt hatte.  Heute sehen „Die Ärzte“ das differenzierter, was sich auch in der Ausklammerung im Downloadservice spiegelt.

Wie die Geschichte damals weitergegangen ist, wäre eine Interviewfrage wert gewesen. Auch, wie sie ihre Rolle als Tagesschau-Promi-Sprachrohr für die Kulturschaffenden während Corona im Nachhinein einschätzen würden. Das Interview gab es leider im Vorfeld ihres Münchner Open-Air-Gigs im Olympiastadion nicht.

Live sind „Die Ärzte“ die netten großen Jungs von einst geblieben. Die Bühne ein elendig großer Sandkasten. Mit drei angejahrten Kids unter Strom, die irgendwie am liebsten quasseln und Witze reißen und das auch nicht nur aufgesetzt absolvieren. Helikopter-Mamas würden an ADHS denken. Fans, wenn vielfach auch mit ihnen älter geworden, zappeln begeistert mit, tauchen ein in die Gags und johlen, wenn Bela einen aus der Menge auf das Videoschild hebt, weil er es geschafft hat zehn Biere fast voll bis vor die Bühne zu jonglieren. Vor „Fiasko“ üben sie minutenlang mit dem Publikum ein „Huuh“ als Running-Gag-Antwort – wäre auch als Waldkindergartenspiel hinter Bäumen durchgegangen.  Sie könnten auch als Wortkabarettisten nach dem GEMA-Tarif abgerechnet werden. Fast! Wären da nicht die 40 Songs, die sie in über zweieinhalb Stunden über die Bühnenkante brettern. Chapeau!

Denn zwischendurch fällt ihnen dann doch wieder ein, dass sie ja eigentlich auch wie wieder den nächsten Song anstimmen könnten: „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf, dreizehn…wusch“. Trotzdem zünden die aktuelleren Songs nicht mehr so wie früher. Müssen sie das? Muss man nicht auch Autoren zugestehen, dass sie nicht immer von einem Zenit zum nächsten Schlafwandeln? Die Jahre sind ins Land gezogen, um es mit den „Hosen“ zu kommentieren. Aber die buchstäbliche Spielfreude sprudelt noch aus jeder Sekunde der zweieinhalbstündigen Show.

Konstant geblieben ist über all die Zeit aber Ihr Engagement. Ein Einsatz, der schon immer Respekt verdient hatte. „Die Ärzte“ haben über alle die Jahrzehnte fasziniert, weil sie kompromisslos und non-konform gesellschaftlich relevante Positionen bezogen haben. Das Olympiastadion erklären sie vor „Doof“ zur sicheren Zone, weil es Nazi-frei sei. Sie appellieren daran, Hingefallenen wieder aufzuhelfen – nicht nur aus Sicherheitsgründen vor der Bühne. Irgendwie hat das auch was davon, der unsicheren Rentnerin über die Straße zu helfen. Nette Jungs halt!

Die „Antilopen Gang“ hatte bei über 30 Grad in der vollen Sonne einen brachialen Support-Job. Den aber erfüllten sie mit Bravour. Schwerarbeiter, die im Flow heftig schwitzten. Und wo „Stück Dreck“ ein eher subjektiver Höhepunkt war. Ebenso wie im eher getragenen Bereich das Stück „Enkeltrick“, das für mich eh zu einer der gesellschaftlichen Benchmarks zur Sensibilisierung von Perversität bei Kriminellen zählt.

Nachsatz: Bilder der „Ärzte“-Show gibt es nicht, weil auch die Lizenznachfrage nicht beantwortet wurde. Mit dem Internet halten es Farin & Co augenscheinlich wie Angela Merkel („Das Internet ist für uns alle Neuland“). 1987 kämpften sie bei unserem letzten Aufeinandertreffen mit der Indizierungsbürokratie. Jetzt sind sie bei der Bürokratie logischerweise rechtlich am längeren Hebel. Im Fotovertrag heißt es, dass eine Verbreitung der Bilder über das Internet (Online-Dienste) nicht gestattet sei. Andere Künstler sind in solchen Verträgen schon in der medialen Gegenwart angekommen. Muss man akzeptieren! Andere Künstler:innen erlauben Nutzungen in „Nachrichten-Formaten im Internet“ längst. Manche brauchen halt noch Zeit bei sehr überschaubaren 16.000 Livebesucher:innen.

Bernd Schweinar / www.allmusic.de

Antilopen Gang-Bilderstrecke hier
https://www.allmusic.de/bildergalerie/antilopen-gang


18. Mai 2022

ANTIS / Litauen:  Rückblick und Überraschung

Am 16./17. Mai 2022 waren bei der "Dialog.Pop"-Popkonferenz bei uns auf Schloss Alteglofsheim auch Speaker verschiedener Musikszenen von osteuropäischen Ländern anwesend. Mit Vaidas Stackevicius aus Litauen kam ich leider erst im Nachgang in den Dialog. Ich erzählte ihm, dass ich schon 1989 einen sehr beeindruckenden Auftritt einer Band namens ANTIS bei einem Festival in Bayern erleben durfte. Damals hatte ich backstage auch einen sehr interessanten Dialog mit deren Sänger Algirdas Kauspedas, der mit einer monströsen "Hollenmaschine" auf der Bühne die politischen Wirren um den siechenden Kommunismus in den Anfangsjahren von Glasnost visualisierte. Ich fragte Vaidas, ob es die Band ANTIS noch gäbe und er wüsste, was aus deren Sänger wurde.
Und Überraschung: Vaidas sagte, Du sprichst gerade zufällig mit dem Manager von Algirdas Kauspedas. Der habe seit 2018 eine neue spannende Band namens "KAnDIs". Und noch zufälliger treffe er ihn am gleichen Abend in Kaunas bei den Proben zu einem Auftritt ihm Rahmen von Veranstaltungen zur Kulturhauptstadt Europas. Davon hat er abends dann gleich noch ein Foto geschickt:

Und er hat ein paar Links zu aktuellen Produktionen geschickt, die Lust machen, mit der Kamera mal nach Litauen zu reisen und einen Gig zu fotografieren:

Das offizielle Video zu "Monteris" von "KAnDIs":
https://youtu.be/wwy6yuKSnBk
https://youtu.be/Lf7J_3S2XXw


12. Mai 2022

DIE ÄRZTE, am 16. Juni im Olympiastadion München - vor 35 Jahren beim Polizeiverhör an der Uni Regensburg
Das habe ich vor ziemlich genau 35 Jahren über "Die Ärzte" in der Mittelbayerischen Zeitung geschrieben, als die Polizei mitten in unser Interview platzte, um von den Musikern eine Personalienfeststelllung zu machen. Ich im linken Bild rechts von Farin sitzend, der Polizist links von Bela stehend. Ich hoffe, dass ich "Die Ärzte" demnächst in München nach so langer Zeit tatsächlich das erste Mal wieder live erleben kann.

(Grafik mit rechter Maustaste in neuem Tab öffnen und dann gerne auf lesbares Format  vergrößern!)


09. April 2022

dpa hat mich diese Woche zum bevorstehenden Festivalsommer interviewt.
Hier ein paar Mitnahmen:


31. März 2022

Kinga Glyk bei den Rother Bluestagen 2022Kinga Glyk bei den Rother Bluestagen 2022Kinga Glyk & Pawel Tomaszewski bei den Rother Bluestagen 2022Kinga Glyk bei den Rother Bluestagen 2022

STARKE SAITEN
King Glyk bei den "Rother Bluestagen"

Was für ein Klangerlebnis mit Kinga Glyk! Welch ein Konzertgenuss bei den „Rother Bluestagen“, die das Risiko eingegangen sind, frühzeitig für diese Pandemiephase zu planen. Respekt! Und viel Empathie auch für Kinga Glyk, die ihre Demut ausdrückte, nach ersten Auftaktgigs in Italien, wieder live vor Publikum stehen zu dürfen. Demut aber auch vor diesem Konzertprivileg, angesichts des Krieges in der Ukraine und der Millionen Geflüchteten auch in ihrem Heimatland Polen.

Die Fragilität der aktuellen Situation artikulierte sich am intensivsten zum Ende ihres Programms im Titel „Enu Maseti“, zu dem sie auch versucht das Publikum mit den Masken zum Mitsingen ich ihrer Fantasiesprache zu animieren. Das gelingt nicht ganz, aber die weltmusikalisch getragene Klangsprache trägt fort in sphärisches Wohlgefühl.

Bis dahin wechselte ein faszinierender Moment den anderen ab. Zwischen dem getragenen „Ballada“, wo sie von Produzent und Keyboarder Pawel Tomaszewski auf einem Tastenteppich emporgehoben wurde und dem von ihr als lautestes Stück des Abends angekündigtem „OverDrive“, brannte sie ein Feuerwerk an Intensität und Kreativität ab. Immer unterstützt auch von Drummer David „Hayden“ Coezy, der mit facettenreichen Schlagmustern und Grooves unaufdringlich aber immens wichtig den Weg bereitete.

Instrumentalmusik heißt nicht Emotionslosigkeit, heißt nicht Expressionslosigkeit. Die Mimik ihres Gesichtes ist Kinga Glyks Ersatzstimme. Die Kameralinse hat ein Bild eingefangen, wo ihre Griffhand auf dem Basshals ihr Gesicht zwischen den Fingern erkennen lässt. Alle drei bilden aber auch eine Symbiose in direkter Linie. Ihr Fazialisnerv ist die Verlängerung der Energie aus ihren Fingern zu den Gesichtsmusikeln. Jedes schwierige Griffmuster schlägt sich nieder in einer anderen Mimik, verstärkt dadurch jeden Ton, jeden Akkord. Kann ein Bild mehr ausdrücken?

Kinga Glyk ist in den letzten Jahren zum Medienprodukt geworden. Seit sie Claptons „Tears In Heaven“ mit einem Uptempo-Arrangment auf dem Bass intonierte, wurde der Clip im Netz millionenfach geklickt, haben sich TV- und Radiostationen um sie gerissen. Live ist sie aber sehr Mensch geblieben, hat sich diesem Hype nicht ergeben. In der Frühphase ihrer jungen Karriere saß noch ihr Vater am Schlagzeug, heute sorgt ihr Bruder Patrick als FOH-Mischer für den guten Sound. Und wenn sich Kinga Glyk dann mit ihrem Bass im Schneidersitz auf der Bühne niederlässt und in Klangwelten zu entschwinden scheint, dann ist das nur ein Synonym dafür, dass sie sich auf der Bühne zu Hause fühlt.

Bernd Schweinar / www.allmusic.de

Bilderstrecke Kinga Glyk

Weitere Links:
Website Kinga Glyk
Kinga Glyk @ Warner Music Germany
Rother Bluestage


06. März 2022

BACKSTAGE - Bildband über Herman Brood veröffentlicht
Auch mit Aufnahmen von Helmut Ölschlegel und Bernd Schweinar

Helmut Oelschlegel und ich durften auch ein paar Bilder zu einem 376 Seiten starken Bildband über den legendären Herman Brood beisteuern. Das Buch hat nach mühevoller Kleinarbeit und über viele Jahre voller Engagement Rob Kranenburg, Broods langjähriger (Licht-)Techniker publiziert. Helmut Oelschlegel war bei der Party zur Buchpräsentation mit vielen holländischen Ex-Musiker:innen und Crew-Members. Am 31. März konnte ich das sehr hochwertig produzierte Exemplar dann auch selbst in Händen halten. 

Das Buch ist zwar auf holländisch geschrieben, aber mit vielen tollen Bildeindrücken und kann unter dem nachfolgenden Link für 35 € bestellt werden:

16. Oktober 2021

Tieftaucherlebnis in Nostalgie und Disco-Fieber

Ex-„Bee Gees“-Gitarrist Vince Melouney im Interview / Musical “Massachusetts” auf Deutschlandtournee

„Bee Gees“, der Bandname der „Brothers Gibb“ zerfließt noch immer wie Honig. Auch Jahrzehnte nach dem Ableben von Maurice und Robin Gibb. Deren Gitarrist Vince Melouney ist als Teil der italienischen Musicalproduktion „Massachusetts“, die auch in der Saturn-Arena in Ingolstadt gastierte. Allmusic.de sprach mit Vince auf Vermittlung von Carla Olson und Jonathan Lea (Bandmitglied von Dave Davies/"Kinks") exklusiv.

Vince Melouney ist inzwischen 76 Jahre alt. Ein höflicher, sehr zurückhaltender, nobler Mensch, der uns Backstage in der Saturn-Arena von Ingolstadt gegenüber sitzt. Er war Gitarrist der ersten vier „Bee Gees“-Alben Ende der sechziger Jahre und ist auf vielen Welthits der Band zu hören. Beim Musical der süditalienischen Brüder Pasquale, Walter und Davide Egiziano ist Melouney noch bei fünf Songs dabei. Ebenso wie Blue Weaver, der langjährige Bandkeyboarder und einstige Architekt des Disco-Sounds der Gibbs. Beide sind aber nicht nur Alibi-Heroen, sie bereichern und faszinieren live, obgleich die Show vom fulminanten Gesang der Egizianos geprägt ist.

Wie kommt ein im englischen Summerset lebender Australier zu einer kalabresischen Musicalproduktion? Der Start war in der Tat etwas schwierig, antwortet Vince Melouney. Er sei gerade wieder in Australien gewesen, als Pasquale Egiziano anrief und ihm vom Musical erzählte und einen Gastauftritt anfragte. Man verabredete sich zu einer Show in Deutschland und seit 2016 ist er dort jetzt Mitglied. Seine Worte reflektieren wie wohl er sich dabei fühlt: „Jeder Abend ist anders. Die Show selbst ist für mich ein Knaller! Alle Beteiligten sind überaus professionell. Die Egiziano-Brüder sind hervorragende Sänger. Auch die Band spielt auf den Punkt. Nicht zu vergessen die Tänzerinnen und Tänzer. Alle sind mit Herzblut dabei, machen das nicht nur als Job. Eine liebenswerte Truppe.“

Vince Melouney kommt zweimal auf die Bühne: „Wir starten mit ‚New York Mining Disaster 1941‘ und ‚Holiday‘ in er ersten Hälfte“, erzählt er und fährt mit empathischem Unterton fort „Beim zweiten Set komme ich dann mit ‚In The Morning“ und wir finishen mit ‚Idea‘. Die Egiziano-Brüder singen dazu im Background.“

Das ist fast so, wie Anfang der sechziger Jahre als die „BGs“, tatsächlich den Harmoniegesang zu zwei Singles von Melouneys Band  beisteuerten: „Die Gibb Brothers lebten damals im australischen Hurstville und wir trafen uns im St. Claire Studio eines Freundes. Ich spielte Gitarre auf ein paar ihrer Songs und sie sangen auf zwei meiner Songs. Du kannst ihre Uuuhs und Aaahs gut hören. Das war noch bevor sie berühmt wurden. Die Leute sahen uns damals eher als kindische Teenieshow. Aber sie waren schon damals sehr gut, und der Harmoniegesang fantastisch.“

Er kommt auch nach Jahrzehnten immer noch ins Schwärmen wenn er an die goldenen Zeiten der „Bee Gees“ zurück denkt. Magische Momente? „Es gab zu viele!“. Am meisten war er beeindruckt von den Menschenmassen, vor denen sie damals gespielt haben.

Barry Gibb hat Melouney zuletzt 2004 bei einem Konzert in der beeindruckenden Hollywood Bowl von Los Angeles getroffen. Maurice ist 2003 und Robin 2012 verstorben. Aber in den fesselnden Stimmen der Egiziano-Brüder fühlt er ihre Aura immer noch um sich. Wenn Davide Egiziano „Saved By The Bell“ von Robin Gibb schmachtet, dann zerfließt nicht nur das Publikum. Ein zwar in die Jahre gekommenes Publikum, das aber insbesondere beim ausgiebigen Disco-Teil aus den siebziger Jahren fulminant mitzugehen weiß. Hier wird auch der zweite Ex-Begleitmusiker der „Bee Gees“ zu einem der Hauptacts, der Waliser Blue Weaver, der den Keyboardsound und Falsettgesang der „Night Fever“-Ära elementar prägte.

Der Tourauftakt in Ingolstadt ist die erste Show nach fast zwei Jahren. Sie haben vorher sechs Tage in Berlin geprobt und Corona hat auch ihnen allen böse mitgespielt. Melouney erzählt, dass er während der Corona-Pause viele Songs geschrieben und an anderen mitgewirkt habe. Kurz vor Pandemiebeginn war er noch in Los Angeles und hat mit der Band „Strangers In A Strange Land“ sowie dem Schlagzeuger Clem Burke von Blondie den alten Klassiker „Women“ der australischen Oldieheroen „Easybeats“ aufgenommen. Die „Strangers“ hätten ihn dann auch gebeten, bei der Aufnahme des „Bee Gees“-Songs „Ring My Bell“ mitzuwirken. Die Gitarre hat er dann während des Lockdowns daheim eingespielt und nach Amerika geschickt. Langweilig war ihm nicht. Sein Freund Jonathan Lea (Gitarrist u.a. für Dave Davies/Kinks, Carla Olson, Jigsaw Seen) habe auf Youtube einen alten Song von ihm wiedergefunden, den er 1969 für Ashton, Garner & Dyke und mit George Harrison als Gast produziert hatte („See The Sun In My Eyes“). Und auch den alten Robin Gibb-Titel „Come Some Christmas Eve Or Halloyween“ hat er mit Lea gerade neu produziert und soll bald erscheinen.

Vince Melouney ist immer noch umtriebig, auch wenn das Alter an ihm zehrt und er keine ganze Produktion mehr auf der Bühne schaffen würde. Aber seinen Part beim „Massachusetts“-Musical füllt er immer noch mit Hingabe aus. Und das Musical an sich ist ohnehin ein riesiges Erlebnis - für Musiker wie Publikum.

Bernd Schweinar

Die gesamte Bilderstrecke hier:
https://www.allmusic.de/bildergalerie/bee-gees-musical-massachusetts

Spezieller Dank auch an Resetproductions:
https://www.resetproduction.de/shows/massachusetts-bee-gees-musical/


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